Vorsteuerabzug – Klärungen der Agentur für Einnahmen vom 17.1.2018, Nr. 1
Neue Bestimmungen zum Vorsteuerabzug – Amtliche Klärungen im Rundschreiben der Agentur für Einnahmen vom 17.1.2018, Nr. 1
Mit dem Rundschreiben vom 17.1.2018, Nr. 1 hat die Agentur für Einnahmen wichtige amtliche Klärungen im Hinblick auf den Vorsteuerabzug sowie auf die Modalitäten der Verbuchung der Eingangsrechnungen veröffentlicht.
Die entsprechenden Bestimmungen finden sich in den Artikeln 19 und 25, DPR 633/72 und wurden nun mit Wirkung von Art. 2 DL 24.4.2017 Nr. 50 (umgewandelt in das Gesetz vom 21.6.2017 Nr. 96) abgeändert.
1. Wirksamkeit
Im Sinne von Art. 2 Abs. 2-bis DL 50/2017 gelten die neuen Bestimmungen für die Ausübung des Vorsteuerabzugs und die Verbuchung der Eingangsrechnungen für alle Rechnungen und Zollscheine, die ab dem 1.1.2017 ausgestellt wurden.
Rechnungen, die in den Jahren 2015 und 2016 ausgestellt wurden
Für Rechnungen, die in den Jahren 2015 und 2016 ausgestellt wurden, gelten nach wie vor die alten Bestimmungen.
Das Rundschreiben der Agentur für Einnahmen vom 17.1.2018 Nr. 1 stellt klar, dass dies auch für Geschäftsfälle gilt, in denen die MwSt.-Schuld bis zum 31.12.2016 erwachsen ist, auch wenn die entsprechenden Rechnungen erst nach diesem Datum erhalten wurde.
2. Neue Fristen für die Ausübung des Vorsteuerabzugs
Im Sinne von Art. 19, Abs. 1 DPR 633/72 erwächst das Recht auf den Vorsteuerabzug („detrazione“) dann, wenn die MwSt.-Schuld aus der ausgestellten Rechnung bzw. dem betreffenden Geschäftsfall entsteht.
2.1 enstehen der MwSt.-Schuld
Im Sinne von Art. 6 Abs. 5 DPR 633/72 entsteht die MwSt.-Schuld im Regelfall dann, wenn die Lieferung bzw. Dienstleistung erbracht wird, also:
- Bei unbeweglichen Gütern mit der Unterzeichnung des Vertrags, der das Eigentums- oder ein sonstiges dingliches Recht überträgt bzw. begründet;
- Bei beweglichen Gütern mit der Übergabe oder Versendung der Güter
- Und bei Dienstleistungen mit der Zahlung.
Wird allerdings vor den genannten Zeitpunkten eine Rechnung ausgestellt oder erfolgt eine – auch partielle – Zahlung, so gilt der Geschäftsfall als durchgeführt und die MwSt.-Schuld entsteht (Art. 6 Abs. 4 DPR 633/72):
- mit Ausstellung der Rechnung (bezogen auf den Betrag der Rechnung);
- mit der Zahlung (bezogen auf den Betrag der Zahlung)
2.2 Letztmöglicher Zeitpunkt für die Ausübung des Vorsteuerabzugs
Unbeschadet der Tatsache, dass das Recht zum Vorsteuerabzug das Entstehen der entsprechenden MwSt.-Schuld voraussetzt, hat nun Art. 2 DL 50/2017 die Frist, innerhalb welcher der Vorsteuerabzug möglich ist, verkürzt.
In jedem Fall aber wird das Recht auf den Vorsteuerabzug auf der Grundlage der Bestimmungen ausgeübt, welche galten, als dieses Recht erwuchs.
2.2.1 Bisher gültige Bestimmungen
Auf der Grundlage der bisherig gültigen Bestimmungen konnte das Recht auf den Vorsteuerabzug bis zur Frist für die Vorlage der MwSt.-Erklärung für das zweite Jahr nach jenem ausgeübt werden, in dem die MwSt.-Schuld entstanden war.
Beispiel: Bei einer Veräußerung von Gütern am 15.3.2016 kann der Vorsteuerabzug bis zum 30.4.2019 im Rahmen der MwSt.-Jahreserklärung für 2018, vorzulegen bis zum 30.4.2019, ausgeübt werden.
2.2.2 Neue Bestimmungen
Im Sinne von Art. 19 DPR 633/72 in seinem neuen Wortlaut ist der letztmögliche Zeitpunkt für die Ausübung des Vorsteuerabzugs dagegen die Fälligkeit für die Vorlage der MwSt.-Erklärung für das Jahr, in dem die MwSt.-Schuld entstanden ist.
Beispiel: Bei einer Veräußerung von Gütern am 20.3.2017 kann die Vorsteuer spätestens im Rahmen der MwSt.-Jahreserklärung für 2017, vorzulegen eben bis zum 30.4.2018, ausgeübt werden
3. Neue Fristen für die Verbuchung der Eingangsrechnungen
Auf der Grundlage des novellierten Art. 25 Abs. 1 DPR 633/72 müssen die Eingangsrechnungen und Zollscheine im Register der MwSt.-Eingangsrechnungen:
- vor dem Zeitpunkt der MwSt.-Abrechnung („liquidazione periodica“) verbucht werden, in welcher das Recht auf den Vorsteuerabzug ausgeübt wird;
- und spätestens bis zur Fälligkeit für die Vorlage der MwSt.-Jahreserklärung für das Jahr, in dem die Rechnung erhalten wurde.
4. Abstimmung zwischen den Fristen für den Vorsteuerabzug und die Verbuchung der Rechnungen
Die Tatsache, dass die Frist für den Vorsteuerabzug ex Art. 19 DPR 633/72 und jene für die Verbuchung der Eingangsrechnungen ex Art. 25 DPR 633/72 nicht zusammenfallen, führt zu einigen Problemen im Umgang mit Rechnungen, die im Besteuerungszeitraum “X+1” erhalten wurden, sich jedoch auf Geschäftsfälle beziehen, die im Besteuerungszeitraum “X” erbracht wurden.
4.1 Doppelte Voraussetzung für die Ausübung des Vorsteuerabzugs
In Anbetracht dieser Interpretationsschwierigkeiten hat die Agentur für Einnahmen mit dem Rundschreiben 17.1.2018 Nr. 1 nun klargestellt, dass die Abstimmung zwischen den beiden Normen im Lichte der EU-Rechtsprechung erfolgen muss (Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 29.4.2004 in der Causa C-152/02), wonach das Recht auf den Vorsteuerabzug erst dann erwächst, wenn zwei Voraussetzungen vorliegen:
- eine substantielle (das Entstehen der MwSt.-Schuld);
- und eine formale (der Erhalt bzw. der Besitz der Rechnung durch den Käufer bzw. Auftraggeber).
Der dies a quo für das Recht auf die Ausübung des Vorsteuerabzugs ist also jener, an dem beide Voraussetzungen erstmals gemeinsam vorliegen.
Im Falle einer Rechnung, für welche die MwSt.-Schuld im Dezember 2017 erwächst, und vom Käufer bzw. Auftraggeber im Jahr 2018 erhalten wird, kann der Vorsteuerabzug also – nach Verbuchung der Rechnung:
- in einer der MwSt.-Abrechnungen im Jahr 2018 ausgeübt werden;
- aber spätestens mit der MwSt.-Jahreserklärung für 2018, vorzulegen bis zum 30.4.2019.
Der Vorsteuerabzug kann dagegen nicht im Rahmen der MwSt.-Abrechnung für Dezember 2017 ausgeübt werden (weil eine der Bedingungen für die Ausübung des Vorsteuerabzugs noch nicht gegeben war).
4.1.1 Ausübung des Vorsteuerabzugs durch eine berichtigende Steuererklärung “zu Gunsten des Steuerzahlers ”
Wer das Recht auf den Vorsteuerabzug nicht innerhalb der oben genannten Fristen ausübt, kann dies jedoch auch nachträglich noch tun, und zwar durch eine sog. „berichtigende Steuererklärung” (dichiarazione integrativa) “zu Gunsten des Steuerzahlers” („a favore del contribuente“), und zwar bis zum 31. Dezember des fünften Jahres nach jenem, in dem die ursprüngliche Steuererklärung vorgelegt wurde (es kommen jedoch die Strafen für die nicht korrekte Verbuchung der Eingangsrechnung zur Anwendung).
4.1.2 Gutschriften
Im Sinne von Art. 26 Abs. 2 DPR 633/72 können Gutschriften spätestens bis zur Fälligkeit für die Ausübung des Vorsteuerabzugs ex Art. 19 Abs. 1 DPR 633/72 ausgestellt werden.
Auf der Grundlage des neuen Wortlauts von Art. 19 stellt das Rundschreiben vom 17.1.2018 Nr. 1 klar, dass eine Gutschrift innerhalb der Frist für die Vorlage der MwSt.-Jahreserklärung für das Jahr ausgestellt werden muss, in dem die Voraussetzung für den Vorsteuerabzug entstand (vgl. die Auskunft der Agentur für Einnahmen vom 18.3.2002 Nr. 89).
4.1.3 Verzögertes Entstehen der Steuerschuld
Im Rundschreiben vom 17.1.2018 Nr. 1 hat die Agentur für Einnahmen auch einige amtliche Klärungen zur Ausübung des Vorsteuerabzugs durch Steuerzahler veröffentlicht, welche:
- den sog. split payment ex Art. 17-ter DPR 633/72 anwenden;
- oder die MwSt. nach dem Kassaprinzip ex Art. 32-bis DL 83/2012 abrechnen.
Split payment
Im Sinne von Art. 3, DM 23.1.2015 entsteht die Steuerschuld für Geschäftsfälle, die dem split payment unterliegen, im Regelfall bei Zahlung des Preises, wobei der Käufer durch konkludente Handlungen auch für ein vorzeitiges Entstehen der Steuerschuld optieren kann, und zwar:
bei Erhalt der Rechnung;
- oder bei Ihrer Verbuchung.
Kommen die allgemeinen Bestimmungen zur Anwendung (weil die Zahlung vor Erhalt/Verbuchung der Rechnung erfolgte, oder weil der Käufer bzw. Auftraggeber jedenfalls nicht für das vorzeitige Entstehen der Steuerschuld optiert hat), so ist es nicht erforderlich, die Eingangsrechnungen bis zur Fälligkeit für die Vorlage der betreffenden MwSt.-Jahreserklärung zu verbuchen.
Für den split payment gilt nämlich in Abweichung vom allgemeinen Grundsatz ex Art. 25 DPR 633/72, dass eine Rechnung bis zur Fälligkeit für die Vorlage der MwSt.-Jahreserklärung für das Jahr zu verbuchen ist, in dem die MwSt.-Schuld (durch die Zahlung) entsteht, und dies auch dann, wenn die Rechnung in einem früheren Besteuerungszeitraum erhalten wurde.
“MwSt. per Kassa”
Für Steuerzahler, welche die MwSt. nach dem Kassaprinzip ex Art. 32-bis DL 83/2012 abrechnen, entsteht die Steuerschuld im Regelfall bei Zahlung des Preises, und dies sowohl für aktive als auch für passive Geschäftsfälle.
In diesem Zusammenhang stellt das Rundschreiben vom 17.1.2018 Nr. 1 klar, dass das Recht auf den Vorsteuerabzug im Augenblick erwächst, in dem auch die MwSt.-Schuld im Rahmen dieses Abrechnungsmodus entsteht, also:
- bei Zahlung der Rechnung;
- oder in jedem Fall ein Jahr nach Durchführung der Geschäftsfälle.
Tätigt also ein betreffender Steuerzahler einen Ankauf im Dezember 2017 und bezahlt er die Rechnung im April 2018, so kann er (wenn er über die Eingangsrechnung verfügt) den Vorsteuerabzug:
- ab der MwSt.-Abrechnung für April 2018 ausüben;
- und spätestens in der MwSt.-Jahreserklärung für 2018 (bis zum 30.4.2019).
4.2 Modalitäten der Verbuchung der Rechnungen
Mit dem Rundschreiben 17.1.2018 Nr. 1 hat die Agentur für Einnahmen auch amtliche Klärungen zu den operativen Modalitäten der Verbuchung der Eingangsrechnungen im Zusammenhang mit den neuen Fristen für die Ausübung des Vorsteuerabzugs veröffentlicht.
Im Besonderen wurde klargestellt, dass eine Rechnung, die bis zum 31.12.2017 erhalten wurde und einen Geschäftsfall im Jahr 2017 betrifft, spätestens bis zum 30.4.2018 verbucht werden muss.
Aus operativer Sicht gilt nun:
- Erfolgt die Verbuchung im Jahr 2017, so gelten die allgemeinen Bestimmungen zur Anmerkung im Register der Eingangsrechnungen;
- Erfolgt die Verbuchung dagegen in den ersten 4 Monaten des Jahres 2018 (vom 1.1.2018 bis zum 30.4.2018), so ist ein eigener Abschnitt („sezione“) im Register der MwSt.-Eingangsrechnungen für Rechnungen einzurichten, die zwar im Jahr 2017 erhalten wurden, für die der Vorsteuerabzug aber nicht im Rahmen der regelmäßigen Abrechnungen erfolgt, sondern erst in der MwSt.-Jahreserklärung
Bei einem Ankauf im Dezember 2017, bei dem die Rechnung erst 2018 erhalten wird, muss die Rechnung bis zum 30.4.2019 (der Fälligkeit für die Vorlage der MwSt.-Jahreserklärung für das Jahr des Rechnungserhalts) verbucht werden.
Analog wie zu den im Jahr 2017 erhaltenen Rechnungen ausgeführt, muss die Verbuchung einer im Jahr 2018 erhaltenen Rechnung nur dann in einem eigenen Abschnitt im Register der MwSt.-Eingangsrechnungen für Rechnungen einzurichten, wenn sie in den ersten vier Monaten des Jahres 2019 (und nicht noch 2018) erfolgt.
Die Steuerzahler haben grundsätzlich die Möglichkeit, auch andere verwaltungsmäßige und EDV-Lösungen als die Einführung eines eigenen Abschnitts im Register der MwSt.-Eingangsrechnungen zu wählen; diese Alternativlösungen müssen aber in jedem Fall “den Voraussetzungen für eine korrekte Buchführung” entsprechen und eine “detaillierte Kontrolle durch die Finanzbehörde” ermöglichen.
Zeitpunkt des Rechnungserhalts
Der Erhalt der Eingangsrechnungen durch den Käufer bzw. Auftraggeber muss – sofern er nicht durch PEC oder durch andere Systeme belegt werden kann – aus der ordnungsgemäßen Führung der Bücher hervorgehen (z.B. durch fortlaufende Nummerierung der Eingangsrechnungen).
4.3 Unanwendbarkeit von Strafen
Für MwSt.-Zahler, die sich in der monatlichen MwSt.-Abrechnung für den Monat Dezember 2017 (bis zum 16.1.2018) anders verhalten haben, als es die Klarstellungen der Agentur für Einnahmen im Rundschreiben vom 17.1.2018 Nr. 1 vorsehen, ist keine Strafe vorgesehen.
Wer also bis zum 16.1.2018 Rechnungen für Geschäftsfälle erhalten hat, bei denen die MwSt.-Schuld im Jahr 2017 entstand und die Vorsteuer bereits in der MwSt.-Abrechnung für den Monat Dezember 2017 in Abzug gebracht hat, unterliegt keiner Strafe.
Quelle: Koìne